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Die kurzfristige Wirksamkeit intensivierter Rehabilitationsprogramme mit einem biopsychosozialen Ansatz bei chronischen Rückenschmerzen ist international bestätigt. Erste nationale Studien berichten kleine bis mittlere langfristige Effekte einer intensivierten stationären Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen gegenüber der Standardrehabilitation auf verschiedene Outcomeparameter. Insgesamt steht der Nachweis der langfristigen Wirksamkeit intensivierter Rehabilitationsprogramme noch aus und es findet in der Praxis der rehabilitativen Versorgung bisher kaum eine zielgerichtete Verknüpfung von wissens-, verhaltens- und bewegungsbezogenen Interventionsformen statt.
Zielsetzung des Projekts ist die Entwicklung eines spezifischen, integrativen Schulungsprogramms zum Aufbau von Selbstmanagementkompetenzen bei Rückenschmerzen sowie die Evaluation seiner Wirksamkeit im Vergleich zum üblichen Vorgehen in der stationären Rehabilitation. Der innovative Charakter kommt dadurch zum Ausdruck, dass alle am Rehabilitationsprozess beteiligten Professionen, d.h. insbesondere Arzt, Bewegungstherapeut und Psychologe, im Sinne einer multiprofessionellen und interdisziplinären Behandlungskonzepts auf inhaltlich eng aufeinander abgestimmte Module des spezifischen Schulungsprogramms zurückgreifen und diese Module spezifische Inhalte und Methoden sowie speziell aufbereitete Medien und Patientenmaterialien zur Reduktion typischer Chronifizierungsrisiken enthalten. Das vorliegende integrative Schulungsprogramm umfasst insgesamt fünf Module und hat einen Umfang von 48 Einheiten.
Die Hauptfragestellung betrifft die Wirksamkeit des integrativen Patientenschulungsprogramms im Vergleich zur Standardrehabilitation. Es sollte übergeprüft werden, ob die Implementierung eines integrativen Schulungsprogramms im Vergleich zum üblichen Vorgehen in der stationären Rehabilitation zu einer nachhaltigen Verbesserung des Rehabilitationsergebnisses bei Patienten mit chronischen und chronisch rezidivierenden Rückenschmerzen führt. Primäre Zielgröße ist die subjektive Funktionsbeeinträchtigung (FfbH-R). Sekundäre Zielgrößen betreffen die Schmerzstärke (NRS), schmerzbezogene Kognitionen (TSK, PCI, AEQ), kognitive und behaviorale Schmerzbewältigungskompetenzen (FESV), körperliche Aktivität (HAPA-Skalen, FFkA), subjektive Gesundheit (SF-12), rückenschmerzbedingte Arbeitsunfähigkeit und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Nebenfragestellungen betreffen die Wirksamkeit des integrativen Schulungsprogramms im Vergleich zur Standard-Rehabilitation unter Berücksichtigung des Vorliegens bestimmter Risikofaktoren der Schmerzchronifizierung.
Die Wirksamkeit wurde in einer multizentrischen quasi-experimentellen Kontrollgruppenstudie mit drei Messzeitpunkten (Reha-Beginn, Reha-Ende, 12-Monats-Katamnese) untersucht. Zeitstichproben mit konsekutivem Einschluss von Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen (M54.4 – M54.9, M51.2 – M51.9, M53.8 – M53.9 nach ICD-10) wurden zuerst einer Kontrollbedingung und nach anschließender Implementierung eines speziell entwickelten Behandlungsprogramms einer Interventionsbedingung zugewiesen. Eine Vergleichbarkeit des zeitlichen Umfangs von Interventions- und Kontrollbehandlung wurde angestrebt.
Die Stichprobe umfasst insgesamt 537 Rehabilitanden (KG: n = 270; IG: n = 266). Zu Reha-Ende und zur 12-Monatskatamnese liegen vollständige Daten von jeweils 523 (KG: n = 262; IG: n = 261) bzw. 384 (KG: n = 190; IG: n = 194) Personen vor. Der Anteil von Frauen ist 51%. Das durchschnittliche Alter beträgt 49 Jahre (SD = 8,1). Hinsichtlich soziodemographischer Variablen bestehen keine Baselineunterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Patienten der Kontrollgruppe sind jedoch zu Beginn der Rehabilitation geringfügig höher belastet als Patienten der Interventionsgruppe. Dies betrifft das Chronifizierungsstadium, die Funktionsbeeinträchtigung und den subjektiven Gesundheitszustand. Zur Beantwortung der Frage, ob sich Interventions- und Kontrollgruppe zur 12-Monatskatamnese in primären und sekundären Zielparametern signifikant unterscheiden, wurden daher Kovarianzanalysen (ANCOVAs) mit dem Faktor Gruppe als unabhängige Variable, unter Berücksichtigung von Baseline-Werten der Funktionsfähigkeit und der jeweiligen abhängigen Variable als Kovariaten, berechnet.
12 Monate nach der Rehabilitation zeigte sich ein signifikanter kleiner Haupteffekt in der Funktionsbeeinträchtigung zugunsten der IG (η2 = 0,036; p = 0,001). Hinsichtlich der sekundären Zielparameter fanden sich mittel bis langfristig ebenfalls signifikante, kleine bis mittlere Interventionseffekte. Probanden der Interventionsgruppe weisen zur 12-Monatskatamnese einen besseren subjektiven (physischen) Gesundheitszustand, eine geringere Schmerzbelastung, geringere Ausprägungen in psychosozialen Risikofaktoren, verbesserte kognitive und behaviorale Schmerzbewältigungskompetenzen sowie eine höhere Sportaktivität auf.
Das integrative Schulungsprogramm „PASTOR“ erweist sich mittelfristig gegenüber der Standardbehandlung in der medizinischen Rehabilitation als überlegen. Auf Basis dieser Ergebnisse kann der Einsatz des Programms zur Optimierung der Standardrehabilitation in der Routinebehandlung empfohlen werden.